DES|EQUILIBRE
16 APR - 07 MAI 2023
Atelierhaus Aachen e.V., DEPOT - Talstraße 2, 52068 Aachen
Öffnungszeiten: DI-DO 10-16 H | SA-SO 12-16 H

ERÖFFNUNG | SA 15 APR 2023 | 18 H

Einführung in die Ausstellung | Ange Arthur Koua & Pia Wagner

Performance | Christian Romain Kossa wird eine Performance zeigen, die er spezifisch im Dialog mit den künstlerischen Arbeiten von Ange Arthur Koua entwickelt und präsentiert. Koua und Kossa kooperieren schon seit geraumer Zeit im Rahmen des Kollektivs TRIPLE A, welches Performance-Projekte im öffentlichen Raum in Abidjan (Côte d‘Ivoire) entwickelt. Der Schwerpunkt ihrer Kollaboration liegt in der Interdisziplinarität der Kunstformen, wie auch im Atelierhaus Aachen und der Auseinandersetzung mit kulturellen, historischen und politischen globalen wie lokalen Fragestellungen.

Partizipatives Kunstwerk | Gemeinsam kann ein Kunstwerk aus abgelegter Kleidung geschaffen werden. Gerne kann auch nicht mehr gebrauchte Kleidung von zu Hause mitgebracht werden. 


PROGRAMM | SA 22 APR 2023

15 H Workshop | partizipatives Kunstwerk: Sie zerschneiden Kleidungsstücke, ordnen diese beliebig an und verbinden sie neu. Gerne kann auch nicht mehr gebrauchte Kleidung von zu Hause mitgebracht werden. 

18 H Diskursformat | zum Thema Machtverhältnisse und Utopien des Zusammenlebens als Weltgemeinschaft


Führungen nach Vereinbarung – vom 15.04. bis zum 25.04. ist der Künstler vor Ort


Die Angebote sind kostenlos. Der Künstler spricht Französisch, es erfolgt eine simultane Übersetzung ins Deutsche oder Englische


Dein Pullover besteht nur noch aus Löchern? Die zu große Jeans wolltest du eigentlich schon ewig aussortieren?

Gib deiner Kleidung die Chance auf ein zweites Leben als Kunstwerk. Kleidungsspenden werden im Atelierhaus Aachen (Talstr. 2 / Depot) zu folgenden Zeiten entgegen genommen: 11-13-04.23 12-16 Uhr 


Koua arbeitet mit Textilien, der abgelegten Kleidung der Menschen. Aus dem Leben heraus, gefüllt mit Geschichten und Erinnerungen, erzählt die Kleidung davon. Seine Arbeiten stehen in ihrer Materialität aber auch in ihrem partizipativen Ansatz für eine Auseinandersetzung mit den Geschichten einzelner Personen, die in ihrer Individualität Wertschätzung erfahren und Teil eines großen Ganzen werden. Kunst wird hier als verbindendes Element verstanden, das uns einerseits die Möglichkeit gibt, über Kontinentgrenzen hinaus Einblicke in andere Kulturen und Sichtweisen zu gewinnen und andererseits auch unsere eigene Perspektive zu reflektieren und zu diskutieren.

 

Koua sieht das Ungleichgewicht einer Welt, die seit Jahrhunderten und Jahrtausenden auf Ausbeutung beruht und in welcher der Reichtum des Einen auf der harten Arbeit des anderen basiert. Am Ende, so Koua, hängt doch alles zusammen – wir alle sind Kompliz:innen in einer Welt, die auf Ungerechtigkeiten beruht. Was wir tun können? Das fragt sich auch der Künstler und plädiert auf Sichtbarkeit jenes Ungleichgewichts und auf ein kollektives Suchen nach Antworten und neuen Formen des Zusammenlebens.

In Vorbereitung seiner Ausstellung reiste Koua in die Dörfer, in denen Kakao und Kaffee angebaut, geerntet und verkauft wird. Diese Lieferkette steht für ihn exemplarisch für den Welthandel und die damit verbundenen Diskrepanzen zwischen Produzent:innen und Abnehmer:innen. Eine Ernte, die viel Arbeit und Herzblut erfordert, dessen Wert aber nicht an Arbeitsstunden, sondern an Weltmarktpreisen gemessen wird – die Grundlage einer kapitalistischen Gesellschaft, in welcher ein Individuum wenig bis gar keine Macht hat. Als Künstler möchte Ange Arthur seine Macht nutzen, über seine Kunst gesehen und gehört zu werden und damit zum Nachdenken anzuregen. Denn wo ein Individuum nicht viel ausrichten kann, zählt die Macht des Kollektiven.

Eine Besonderheit stellt das Material dar, das Ange Arthur Koua verwendet: Er arbeitet vorwiegend mit Textilien unter einem Recyclingaspekt und als Appell gegen unsere Wegwerfgesellschaft. Für eine Installation zum Thema Import/Export verwendet er bewusst Säcke, in denen Kakao- und Kaffeebohnen in Côte d’Ivoire geerntet und transportiert wurden, ein erster Schritt auf ihrer Reise in unser Supermarktregal.

 

In der Kultur der Akan, welcher Koua angehört (es gibt mehr als 60 verschiedene Ethnien in Côte d’Ivoire) spielt Kleidung eine besondere Rolle: Ihr wird nachgesagt, dass sie ein Teil der DNA der Menschen innehat. Wenn ein/e Angehörige:r der Akan-Kultur stirbt, kann Kleidung lediglich an Angehörige gehen oder er/sie wird damit begraben. Für Koua wird Kleidung somit zum Zeuge des Erlebten und der Geschichte eine:s Einzelne:n, wirbelt Sand auf, wenn wir einen Weg entlang gehen, so nehmen wir dies kaum wahr – aber unsere Kleidung vergisst nicht die Wege und damit die natürlichen Einflüsse, die uns auf diesen begegneten.

 

 

Koua möchte mit seiner Kunst Verbindungen zwischen Menschen schaffen und in seiner Erfahrung sind Menschen sich dann besonders verbunden fühlen, wenn sie Teil von etwas sind. So hat er für seine ersten Arbeiten in seinem Viertel in Abobo, das bevölkerungsreichste und zugleich ärmste Viertel in der wirtschaftlichen Hautpstadt Abidjan, Kleidungsstücke gesammelt und zusammengefügt. Wissend um einige Konflikte zwischen Nachbar:innen (in der Côte d’Ivoire sind ethnische Konflikte häufig Grund für Unruhen im Land, dies ist eine Folge des Kolonialismus und der Grenzziehung im Rahmen der Berlinkonferenz 1885) kombinierte Koua bewusst Elemente aus Kleidungsstücken von verfeindeten Personen. Er sagt dazu: “Will man sich also vor ‘seinem’ Anteil fotografieren, ist der des Feindes automatisch mit drauf. Man muss sich damit arrangieren, dass man eine Einheit bildet und das zwangsläufige Miteinander und Koexistieren akzeptieren. Das gibt hoffentlich über die Kunst hinaus zu Denken.”

 

In seinen Arbeiten und in der Ausstellung wird der Begriff der Community global betrachtet. Es geht um existenzielle Fragen – Wie können wir auch noch in 100 Jahren koexistieren? Wie können wir als Weltgemeinschaft existieren ohne die Schwächsten in dieser Gemeinschaft ausnutzen zu müssen? Steuern wir immer schneller auf Rohstoffkriege zu, weil wir unsere Ressourcen verbrauchen?

Ist es möglich ein Gleichgewicht mit den Menschen zu schaffen, auf denen unser Konsum sich begründet? Oder ist die Welt geschaffen, um in Ungleichgewicht zu sein?